Fragestellung und Methode
 

Von allgemein nach besonders,
von einfach nach komplex

Die Theorie koordiniert die Skala „von allgemein nach besonders“ mit der Skala „von einfach nach komplex“ und bezieht so beide Aspekte des Sehens aufeinander:

Sehende Wesen: Von allgemein nach besonders

Sehfähigkeiten: Von einfach nach komplex

Die Beziehung beider Skalen besagt: Je einfacher eine Sehfähigkeit ist, desto genereller ist ihr Trägertyp – und je komplexer eine Sehfähigkeit, desto spezieller ihr Träger bzw. die Situation ihres Vorkommens. Die gegenläufige Beziehung von Spezifität und Generalität des Sehens macht den Begriff definierbar.

Einfachste Sichtbarkeiten werden in allen Momenten des Sehens gesehen, komplexere Phänomene nur in einigen, und manche Sichtbarkeiten sind so hochkomplex, dass sie ihre Voraussetzungen in den individuellen Lebensläufen und Lebenssituationen einzelner Lebewesen haben.

Zum Ordnen bzw. Unterscheiden von Sehfähigkeiten hält sich die Theorie also an zwei Merkmale: An das quantitative Merkmal Verteilung („wie allgemein bzw. besonders ist eine Sehfähigkeit als Eigenschaft visueller Ereignisse?“); und an das qualitative Merkmal Komplexität („wie einfach bzw. komplex sind die Sichtbarkeiten, die mit der jeweiligen Sehfähigkeit wahrgenommen werden können?“).

Anders ausgedrückt: Sehen ist Merkmal, und Sehen hat Merkmale. Diese Doppelbetrachtung wird nicht zuletzt dem genannten Umstand gerecht, dass Lebewesen in zweifacher Hinsicht vom Sehen betroffen sind: als Sehende und als Sichtbare – als Subjekte und als Objekte des Sehens.

Die umgekehrt proportionale Beziehung von Generalisierung und Spezifizierung ist in Philosophie und Linguistik schon seit der Spätantike ergründet worden. Eine kurze geschichtliche Einordung findet sich hier im Kapitel „Innen- und Außenbezüge der Theorie“.

Die inverse Koordination von Verteilung und Komplexität ermöglicht es, bei der Beschreibung des Sehens mit einem klar definierten Ganzen zu beginnen und aus dieser Definition eine systematisch geordnete Gliederung seiner Teile abzuleiten. Kurz: Die Ausgangsdefinition gibt der Theorie den Weg vor, sich ein Bild des vollständigen Themengegenstandes zu machen – von einfach nach komplex.

Bleibt die Frage: Wie lässt sich visuelle Komplexität bestimmen?