Einleitung
 

Verhaltensbezogene Beschreibungen des Sehens

Verhaltensbezogene Beschreibungen des Sehens – wie vor allem in der (Verhaltens-)Biologie, Anthropologie, Wahrnehmungs- und Entwicklungspsychologie – halten sich zum Nachweis von Sehfähigkeiten nicht an im Körpertyp des Subjekts generell gegebene, unwillkürlich aktivierbare Strukturen, sondern an dessen Entscheidung für bestimmte Verhaltensmöglichkeiten, welche ihm in Gestalt variierter Sichtbarkeitsbedingungen dargeboten werden.

Dieser Teil visueller Subjektivität ist adressierbar, indem sichtgesteuerte Situationsbezüge des Subjekts durch eine Auswahl von Anblicken stimuliert werden, die einerseits komplexer sind als solche, die bereits im Körper objektiv prädisponierte Reaktionen bedingen, aber andererseits nicht so komplex wie solche, die als kulturspezifische Artefakte zwischen Beobachtern und Beobachteten kommunikativ wirksam und sowohl die Beobachtung ersterer als auch das Verhalten letzterer ebenfalls objektiv prädeterminieren würden.

Im Vergleich zu körperinvasiven oder -fixierenden Methoden können Untersuchungen visueller Wahrnehmung, die physisches Verhalten beobachten, um auf psychische Strukturen zu schließen, anhand komplexerer Reaktionsmöglichkeiten also komplexere Sehfähigkeiten beschreiben, sind dazu aber, wenn die Beschreibungen kulturübergreifende Verhaltenstypen erfassen sollen, ebenfalls auf einen speziellen Ausschnitt aus der Vielfalt visueller Phänomene eingeschränkt. Denn in Relation zu situationsgenerellen Prozessen des sehenden Körpers und zur situativ hochspeziellen Kommunikation ist sichtgesteuertes Verhalten eine mittelgradig situationsspezifische Wirkung visueller Bedingungen.