Einleitung
 

2. Eine Theorie des Sehens – gibt es das nicht längst?

Warum (wahrscheinlich) eine
allgemeine Theorie des Sehens fehlt

Grund 1: Verschiedenheit der Erkenntnisziele und Methoden

Einer der Gründe dafür, dass eine umfassende, systematische Theorie / Terminologie des Visuellen bisher nicht entstanden zu sein scheint, ist wohl schlicht der: Auch dort, wo es intensiv und hochdifferenziert um das Sehen, sehende Wesen und ihren Umgang mit Sichtbarkeiten geht, stehen zumeist andere, speziellere Erkenntnis- und Vermittlungsziele im Vordergrund. Die Schwerpunkte der überwiegend empirischen Forschungen zum Visuellen liegen in der Regel auf Teilbereichen – nicht selten auf äußerst eng gefassten, wie zum Beispiel der Funktionsweise bestimmter Organe, Hirnareale, Neuronengruppen; den situationsspezifischen Reaktionen bestimmter Spezies, Populationen; den Darstellungsarten bestimmter medialer oder stilistischer Epochen, Milieus, Einzelwerkstätten.

Bei aller Vermehrung und Verbesserung des Wissens, das so entsteht, werden methodenbedingt je bestimmte Aspekte des Sehens ausgeblendet und Bedeutungstiefen der entsprechenden visuellen Phänomene eingeebnet. Empirische Disziplinen reduzieren das Sehen in je spezieller Art und Weise – denn beobachtend beschreiben kann man das Sehen auf prinzipiell dreierlei Weisen:

Man kann beschreiben, wie bestimmte Anblicke die Körperprozesse des jeweils untersuchten Subjekttyps beeinflussen (zB. die Erregungsmuster von Nervenzellen); man kann beschreiben, wie bestimmte Anblicke das Verhalten des Subjekts beeinflussen (zB. das sortierende Handhaben präsentierter Sichtbarkeiten); und man kann beschreiben, wie bestimmte Anblicke die Kommunikation des Subjekts beeinflussen (zB. seinen Umgang mit anderen sehenden Subjekten oder mit Abbildern).

Pauschalisierend lassen sich die Reduktionen des Visuellen also in drei Kategorien fassen: Körperbezogene, verhaltensbezogene und kommunikationsbezogene Beschreibungen des Sehens.

Die drei hauptsächlichen Ansätze, das Sehen zu beschreiben:
Körperbezogen, verhaltensbezogen, kommunikationsbezogen