Einleitung
 

Die Kriterien zum systematischen Vergleich visueller Phänomene: Verallgemeinerbarkeit und Komplexität

Obwohl die obige Unterscheidung dreier Methoden äußerst grob ist, kann man aus ihr doch auch bereits eine Vorstellung davon ableiten, wie das Problem der verschiedenartigen Reduktionen überbrückt werden könnte.

Denn oben wurde schon ein Kriterium erwähnt, entlang dessen sich die drei Hauptmethoden, bei allen prinzipiellen Unterschieden, miteinander vergleichen lassen: Die Verallgemeinerbarkeit ihrer Aussagen.

Jede der drei Methoden untersucht ja, so hatte ich es beschrieben, einen eigenen Grad von Verallgemeinerbarkeit: Körperbezogene Beschreibungen untersuchen äußerst allgemeine, das heißt situationsgenerelle Sehfähigkeiten; verhaltensbezogene Beschreibungen untersuchen situativ mittelspezielle Sehfähigkeiten; und kommunikationsbezogene Beschreibungen untersuchen situativ hochspezielle Sehfähigkeiten.

Körperbezogene sind allgemeiner als verhaltensbezogene
und noch allgemeiner als kommunikationsbezogene Bescheibungen

Ob eine Sehfähigkeit als generellere oder speziellere einzustufen ist, läßt sich bestimmen anhand der visuellen Phänomene, die mit ihnen wahrgenommen werden können. Genauer gesagt: Anhand der unterschiedlichen Komplexität der visuellen Phänomene.

Ein Beispiel: Ein „rotes Dreieck“ und ein „blauer Kreis“ sind sehr einfache Phänomene. Sie besitzen (wie die Theorie näher begründen wird) in etwa denselben Komplexitätsgrad und lassen sich deshalb einer gemeinsamen Sehfähigkeit zuordnen – der äußerst allgemeinen Fähigkeit, visuelle Phänomene anhand von Farb- und Formmerkmalen zu unterscheiden, was wiederum (wie die Theorie ebenfalls begründen wird) zur Steuerung einfachster Körperbewegungen befähigen kann.

Gleicher Komplexitätsgrad

Wesentlich komplexer als das Phänomen „rotes Dreieck“ hingegen wäre zum Beispiel das Phänomen „Imitation eines Bewegungstyps“ – etwa der Anblick eines Mädchens, das die typischen Bewegungen eines Löwen nachahmt. Dieses Phänomen ist wesentlich komplexer als ein schlichtes rotes Dreieck – schließlich setzen die besonderen Fähigkeiten, Teile der verschiedenfarbigen Blickfeldformen als „Mädchen“ und ihre Bewegungen obendrein als „Löwen-Imitation“ wahrzunehmen, die allgemeinere Fähigkeit der Wahrnehmung von „Farbe“ und „Form“ voraus.

Verschiedene Komplexitätsgrade

Das heisst: Aus der Einfacheit/Komplexität visueller Phänomene läßt sich auf die Allgemeinheit/Besonderheit der Sehfähigkeit schließen.

Denn je einfacher ein Phänomen ist, desto genereller ist die ihm entsprechende Sehfähigkeit – desto mehr Subjekttypen und Lebenssituationen nämlich kann sie zugeschrieben werden. Und je komplexer eine Sichtbarkeit ist, desto lediglich spezielleren Subjekttypen und Lebenssituationen läßt sie sich zuschreiben – Subjekttypen mit besonderen Sehorganen, Verhaltens- und Kommunikationsmöglichkeiten, mit speziellen Lebensräumen und Lebensläufen.

Je einfacher ein Phänomen, desto mehr Subjekttypen können es sehen