Der Unterschied zwischen der Deutungsfähigkeit eines Eisstücks und der eines sehenden Wesens liegt in Folgendem:
Dass ein Lebewesen über einen Sehsinn verfügt, wird feststellbar, wenn es an Helligkeitsunterschieden sein deutungsbedingtes, sichtbares Verhalten ausrichtet. Wenn es sich zum Beispiel auffallend häufig vom „nahen“ Dunklen ins „ferne“ Helle bewegt; oder eine sichtbare „Kante“ erklimmt; oder matte „Rauheit“ aufsucht und spiegelnde „Glätte“ meidet. Weder der Photoapparat noch das Eisstück legen in ihren Reaktionen auf Helligkeitsunterschiede ein solches, offensichtlich deutungsbedingtes Verhalten an den Tag.
Als denkbar allgemeinste und einfachste Beschreibung visueller Wahrnehmung ließe sich demnach vorschlagen:
Sehen, ganz allgemein beschrieben, ist die Fähigkeit, Helligkeitsunterschiede als andersartige Unterschiede zu deuten und mit dieser Erkenntnis das eigene Verhalten zu steuern. Oder etwas knapper formuliert:
„Sehen ganz allgemein ist die Fähigkeit, Helligkeitsunterschiede als Bedingungen verschiedener Verhaltensmöglichkeiten zu deuten.“
Nun mag diese allgemeine Definition des Sehens trivial erscheinen. Tatsächlich aber gibt sie bereits den Weg vor, auf dem die Theorie vorangehen kann. Als Ausgangsdefinition verdeutlicht sie nämlich, weshalb und wie die beiden Ausgangsfragen beantwortet werden können, wenn man diese etwas genauer stellt.