Einleitung
 

Reduktionen des Sichtbaren in Bildwissenschaft /
Visualistik / Visual Studies / Visual Culture

Die Fachliteratur zum Begriff des Bildes hat sich seit Beginn der 1990er Jahre stark fortentwickelt. Insbesondere die Erweiterung des Themengegenstandes – kommend vor allem aus der traditionellen Fokussierung auf Kirchen-, Museen- und Galerienkunst, hin zu allgemeineren Betrachtungen von visuellen Künsten, Kommunikations- und Medienphänomenen – hat dazu geführt, dass bildthematische Beschreibungen deutlich systematischer und historisch-empirische Beobachtungen in immer tragfähigere Verallgemeinerungen eingebettet wurden.

Dass die neueren wissenschaftlichen Strömungen zur Erforschung des Visuellen – Bildwissenschaft, Visualistik, Visual Studies, Visual Culture usw. – in mehr als zwanzig Jahren nicht in einen einzelnen, gemeinsamen Begriff zur Selbstbezeichnung eingemündet sind, ist, denke ich, nicht allein Ausdruck des Umstandes, dass etwas hier noch immer in seinen Anfängen liegt. Es ist, wie mir scheint, Ausdruck einer noch nicht ganz gelösten programmatischen, methodologischen Problematik. Wie oben erwähnt, beginnen oder enden nicht wenige Texte der jüngeren Sichtbarkeitswissenschaften selbst mit dem ausdrücklichen Befund, dass allgemeine, systematische Theorie noch gesucht werde.

Die aus Richtungen wie Kunstwissenschaft, philosophischer Ästhetik, Wahrnehmungs- und Entwicklungspsychologie, Kommunikations- und Medienwissenschaft, sowie allgemeiner Kultur- und Sozialwissenschaft auf den gemeinsamen Nenner des Sichtbaren zustrebenden Strömungen haben ihre tradierten oder traditionskritischen Terminologien noch nicht in einer übergreifenden, visuell systematisierten Begrifflichkeit zusammengeführt – noch immer differieren deshalb die Verständnisse auch des gemeinsamen Nenners. Erkennbar ist dieser Umstand ebenfalls in dem in nahezu allen bildwissenschaftlich-visualistischen Publikationen aufgegriffenen Schlagworte-Fächer vom pictorial turn, visual turn, visualistic turn, iconic turn, imagic turn, denn auch dieses Kontinuum ineinanderfließender Begriffe markiert in seinen Differenzen von Paradigmen und Erkenntniszielen den Zustand einer unabgeschlossenen fachlichen Standortbestimmung.

Mein Eindruck ist, dass diese positionelle Unschärfe ihre Hauptursache paradoxerweise darin hat, dass die Literatur des visualistischen Fächerkomplexes großenteils zu scharf auf den Theoriegegenstand Bild fixiert ist – und dies in eben uneinheitlicher Weise. Weshalb: