Wie ich im Prolog erzählte, war mein eigener Theorie-Bedarf aus einem berufspraktischen Interesse an Bildern entstanden – also ursprünglich ebenfalls auf den Begriff Bild orientiert, zunächst vor allem auf Unterschiede des Stils. In meinen Versuchen, Stil- und Bildphänomene systematisch zu begreifen, kam ich jedoch kaum zu stabilisierbaren Ergebnissen, bis ich anfing, meine Fragen nach Bildern nicht nur von den Künsten auf allgemeinere visuelle Medien- oder Kulturphänomene auszuweiten, sondern auf Sichtbarkeiten schlechthin.
Mit der erweiterten Perspektive verstärkte sich bald mein Eindruck, dass bildfixierte Ansätze visualistischer Theorie die Systematisierung erschweren, weil sie das Pferd gewissermaßen von hinten aufzäumen. Anstatt zunächst sehr einfache visuelle Phänomene zu beschreiben und dann auf diesen aufzubauen, um schließlich bei dem hochkomplexen Phänomen Bild anzukommen, versuchen sie, den umgekehrten Weg zu gehen und im Komplexen das Einfache zu finden. Diese Blickrichtung macht es schwierig, vielleicht sogar unmöglich, eine Terminologie zu entwickeln, die dem einzig schon vortheoretisch gewissen gemeinsamen Nenner aller denkbaren Bilder maßangepasst wird sein können – ihrer Sichtbarkeit.
Man kann die beiden theoretischen Blickrichtungen so beschreiben: Entweder man blickt „bottom up“ und geht – ausgehend vom Begriff „Sichtbarkeit“ – vom Allgemeinen zum Besonderen. Oder man blickt „top down“ und kommt – ausgehend vom Begriff „Bild“ – vom Besonderen zum Allgemeinen. Die Vor- bzw. Nachteile beider Blickrichtungen werden klar, wenn man sich vor Augen führt, welche und wieviele Typen sehender Subjekte sie je zu berücksichtigen haben: