Die Frage nach dem Nutzen von Theorien der Erkenntnis und die Kritik an dieser Frage blicken auf eine lange gemeinsame Geschichte zurück. Hält man jede grundsätzliche Theorieskepsis oder gar -feindlichkeit für inakzeptabel weil dogmatisch, sollte man allerdings der Frage nach Sinn, Zweck und den möglichen Folgen von Theorieverbreitung ebenso grundsätzlich Legitimität zubilligen. Letzteres umso mehr in einer Epoche, in der Übersicht nicht mehr nur, wie früher, aufgrund ungleich verteilter Bildungsmittel für viele kaum erreichbar ist, sondern in der inzwischen ein Überangebot an Veröffentlichungen Übersicht zugleich verstellt. In dieser Phase einer doppelten Verknappung von Übersicht sollten, denke ich, Publikationen – und zumal anspruchsvollere, welche hohe Mitwirkung ihrer Rezipienten verlangen –, die Frage nach ihrem „Nutzen“ nicht scheuen, sondern sie, im Gegenteil, für sich dazu verwenden, ältere Formen und Inhalte neu zu bewerten, um auf den sich permanent ändernden gesellschaftlichen Bedarf an Kulturtechniken der gegenwartsbezogenen Selbstreflexion kreativ, kritisch, empathisch und verantwortungsbewusst einzugehen.
Eine Theorie des Sehens kann, denke ich, im wesentlichen zu drei Arten von praktischen Anwendungen nützen: Sehen und Erkenntnis besser zu verstehen; Sichtbarkeiten anders und genauer zu beschreiben; Sichtbarkeiten anders zu gestalten.
Im einzelnen: